Wilbur/Conrad: Raj - Ein orientalischer Gentleman - Band 2 - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Wilbur/Conrad: Raj - Ein orientalischer Gentleman - Band 2

Carlsen Comics Verlag
Taschenbuch
, 48 Seiten
12
,00 €
ISBN: 3-551-78202-4

 

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Krimi im kolonialen Indien

Conrad und Wilbur legen mit dem Comicband "Raj 2: Ein orientalischer Gentleman" die Fortsetzung und den Abschluss der Storyline von "Raj" vor.

Alexander Martin, der junge Agent der britischen Kolonialverwaltung in Bombay, gelangt mit seinem Partner Longfellow und der eigenwilligen Inderin Ayesha auf die Elephanteninsel, um Longfellows Onkel vor dem geheimnisvollen Mörder zu retten. Dort finden sie auch jemanden, der ihnen Näheres über die jüngsten Geschehnisse mitteilen kann. Nachdem ihnen klar wurde, wer hinter den letzten Verbrechen steckt, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und das Leben von Longfellows Onkel.

Stilistisch hat sich zwischen dem ersten und zweiten Band nichts geändert. Zeichnerisch ist "Raj" weiterhin ganz im Stile der sogenannten "Ligne Claire" gehalten (siehe Besprechung zu "Raj"), deren kennzeichnende Merkmale präzise Konturen und flächige einfarbige Kolorierungen sind. Die Kolorierung ist sehr gelungen, weiß aber nicht sonderlich aufzufallen. Auch stehen die Zeichnungen voll und ganz im Dienste der Story und vermeiden Auffälligkeiten, die von der Geschichte ablenken könnten. Weiterhin unausgegoren ist leider auch die genaue Definition der Zielgruppe. Die Zeichnungen und manche Slapstickeinlagen und der manchmal auftrumpfende Wortwitz sind durchaus auch etwas für jüngere, aber die komplizierte Story und die mangelnde Action steht dem entgegen. Vor allem die erste Hälfte des Comics ist sehr lahm und besteht überwiegend aus Dialog. Und der ist dem Medium in diesem Falle leider abträglich. Die Deduktion dreier Personen und die darauffolgende Erkenntnis, wer der Verbrecher ist, funktioniert in einem Roman hervorragend. Aber ein Comic muss dafür geeignete Bilder finden. Und das gelingt hier leider nicht. Einige Rückblenden lockern das Ganze zwar auf, wirken aber gleichzeitig ein bisschen hilflos. Durch den völligen Verzicht auf Action in dieser Phase der Erzählung gerät die Auflösung recht unbefriedigend. Vor allem weil man das Gefühl hat, dass die Protagonisten schon eher darauf hätten kommen können, wenn sie sich nur Zeit zum Nachdenken genommen hätten.

Die zweite Hälfte des Comics ist dann aber sehr viel actionreicher und bietet auch einiges an Schauwerten. Generell ist die Identität des Mörders, die hier nicht verraten werden soll, eine kaum verschleierte Parabel auf den Kolonialismus an sich. Durch den Imperialismus wurden Identitäten zerstört, die sich mühsam und oftmals mit Gewalt wieder zusammenfügen mussten. Und das betrifft nicht nur Staaten. Lobenswert an "Raj" ist die gelungene Schilderung des kolonialen Lebens in Bombay, ohne jemals einer gewissen "Kolonialromantik" zum Opfer zu fallen.

© Jons Marek Schiemann 2010


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