Wilbur/Conrad: Raj - Die Verschwundenen der Goldenen Stadt - Band 1 - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Wilbur/Conrad: Raj - Die Verschwundenen der Goldenen Stadt - Band 1

Carlsen Verlag
Taschenbuch
, 48 Seiten
12
,00 €
ISBN: 3-551-78201-6

 

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Kolonialherren und Mörder

In der neuen Abenteuerserie "Raj" von dem Schöpferduo Conrad und Wilbur geht es um einen Mordfall im Indien der Kolonialzeit.

Der junge Engländer Alexander Martin wird 1831 nach Indien versetzt, um dort als Agent des Indian Political Service (I.P.S.) zu arbeiten. Da er freiwillig auf diesen Posten kam und nicht zwangsversetzt wurde, wie viele seiner Kollegen, macht er sich seinem Vorgesetzten und seinen Kollegen gegenüber verdächtig und wird fortan geschnitten. Nur der Journalist David Baltimore nimmt sich seiner an und führt ihn in die Sitten und Gebräuche Indiens und der Kolonialherren ein. Als einige einflussreiche und reiche Engländer verschwinden, übernimmt Alexander Martin die Ermittlungen. Ihm ist es wichtig, die wahren Schuldigen und nicht Sündenböcke zu finden. Diese Einstellung treibt ihn noch weiter in die Isolation. Dann geschieht ein Mord. Und Alexander Martin wird ein Ultimatum gestellt.

Zeichnerisch ist "Raj" ganz im Stile der sogenannten "Ligne Claire" gehalten, deren prominentester Vertreter Herge mit "Tim und Struppi" war. Kennzeichnende Merkmale der ligne claire sind präzise Konturen und die flächige einfarbige Kolorierung. Es wird weitgehend auf Schraffuren, Schattierungen und Farbverläufe verzichtet. Personen werden in vereinfacht-abstrahierter Form dargestellt. Der Dekor und der Hintergrund hingegen meist in realistischer Manier. Dieser Stil ist sehr sachlich, zurückhaltend auf das Wesentlichste beschränkt und vermeidet jegliche Ausschmückung und Details. Die so entstehenden grafischen "Lücken" werden von der Fantasie des Lesers ausgefüllt.

Dennoch vermag es der Band die Atmosphäre des kolonialen Indiens im Sinne von Kipling einzufangen. Auch wenn die scheinbar einfachen Zeichnungen suggerieren, der Band wäre mehr etwas für Kinder, so sind die Intrigen und Hintergründe vielleicht etwas zu kompliziert für diese Zielgruppe. Auch fehlt es leider an Witz. Außer der köstlichen Szene, als ein Gentleman merkt, dass seine neue Sklavin aufgrund ihrer Kaste die meisten ihr zugedachter Arbeiten nicht erledigen kann, da sie ihrer unwürdig sind. Also muss er die meisten Aufgaben doch selbst erledigen. Für Actionliebhaber fehlt es auch an Tempo. So bleibt es ein bisschen unklar für welche Zielgruppe "Raj" eigentlich gedacht ist. Leider fallen die Charakterisierungen recht eindimensional aus. Da ist der Unsympathische, da der Gute (natürlich mit blonden Haaren), das Ekel, der komische Nebencharakter, die Schöne, usw. Die Charaktere beschränken sich auf diese Typenbeschreibungen und entwickeln keine sonderliche Tiefe. Vielleicht wird das in Folgebänden anders. Aber wer Krimis vor einem exotischen Hintergrund mag, angereichert mit politischen Hintergründen, Rätseln, Intrigen und Mord, für den lohnt sich der Blick allemal. Der zweite Band mit dem Abschluss dieser Storyline erscheint im Oktober 2010.

© Jons Marek Schiemann 2010


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