Erich Mühsam

Er hatte ein Gesicht, an dem sich alle Vorurteile festmachen ließen: Der große Kopf war umwuchert vom störrischen, rotem Vollbart und verwildertem Haarschopf, auf der Nase saß ein schief sitzender Kneifer. Ein Freund des Dichters schrieb: "Wahrhaftig, wer ihn nicht näher kannte, hätte befürchten können, dass er sogleich eine Bombe aus der Tasche ziehen und unter die Menge werfen würde. Wer ihn aber kannte, wusste, dass er der gütigste, hilfsbereiteste und dabei für seine eigene Person selbstloseste Mann war, den man sich vorstellen konnte."

Erich Mühsam kam 1878 zur Welt und wuchs in Lübeck auf. Sein Vater war ein jüdischer Apotheker, der stolz darauf war, als assimilierter Jude zu gelten und einen Sitz in der Lübecker Bürgerschaft besaß. Schon früh versuchte der Vater, seinen Sohn eine ähnliche Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen. Erich Mühsams Interesse für die Literatur wurde von seinem Vater bewusst unterbunden und behindert. In seiner Erziehung erlebte Erich Mühsam alles, wogegen er später ankämpfen sollte: Ungerechtigkeit, Gewalt, irrationale Autorität und Intoleranz.

Schon früh zeigte sich, dass sein Temperament mindestens ebenso widerborstig war, wie sein Haar. Im Alter von 17 Jahren wurde er wegen "sozialdemokratischer Umtriebe" von der Schule geworfen. Er begann, auf Drängen seines Vaters hin, eine Ausbildung als Apotheker. Doch auch bei seinem neuen Lehrherren machte er sich schnell unbeliebt. Er verließ Lübeck und ging nach Berlin, wo er seine Lehre fortsetzte.

In Berlin fand Mühsam Anschluss an die Gesellschaft der Literaten, Sozialisten und Weltverbesserer. Er wurde Teil der Berliner Bohéme und war unter anderem mit Else Lasker-Schüler und Eduard Munch befreundet.

Erich Mühsams eigene Weltanschauung wandelte sich spätestens, als die linken Parteien eine gewaltfreie Erziehung der Jugend ablehnten und schließlich auch das Kaiserreich im Krieg unterstützten. Erich Mühsam wurde zum Pazifisten und Anarchisten.

In der Wochenschrift "Der arme Teufel" erschienen die ersten Gedichte des 24-jährigen. 1904 erschien sein erster Gedichtband "Die Wüste".
1911 begründete Mühsam die Zeitschrift "Kain", deren Beiträge er ausschließlich selbst verfasste. Er bezeichnete Kain als Zeitschrift für die Menschlichkeit. Mit ihr versuchte er, Dichtung und politisches Engagement zu verbinden.

Mühsams Versuche, die linken Parteien während des Ersten Weltkrieges auf internationaler Ebene zu solidarisieren und damit den Krieg zu beenden, führten zu seiner ersten Internierung. Während der Weimarer Republik wurde Mühsam wegen seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt, die er nach sechs Jahren 1924 beenden konnte.

In Berlin gab Mühsam eine neue Zeitschrift unter dem Titel "Fanal" heraus. Seine politischen Analysen verdeutlichten seine Distanz zu SPD und KPD und allgemein zu den Lehren Marx. Nach der Machtergreifung der Nazis versuchte Mühsam vergeblich, Geld für eine Ausreise nach Prag zusammenzubekommen. Am Abend des Reichstagbrandes wurde Erich Mühsam verhaftet. Hitlers Chefpropagandist Joseph Goebbels hatte bereits das Todesurteil über ihn verhängt: "Dieses rote Judenaas muss krepieren!" Im KZ Oranienburg wurde Erich Mühsam 1934 von SS-Leuten ermordet.

© Till Weingärtner


© Gabriele Thlon

Mühsams Grab, Waldfriedhof Dahlem, Berlin

Bücherliste:

Balladen Judas. Arbeiterdrama in fünf Akten
Befreiung der Gesellschaft vom Staat Tagebücher 1910 - 1924
Brennende Erde. Verse eines Kämpfers Trotz allem Mensch sein
Der Krater. Dokumente 1904 - 1933 Unpolitische Erinnerungen
Es war einmal ein Revoluzzer Wüste - Krater - Wolken. Gedichte
Ich bin verdammt zu warten... Zur Psychologie der Erbtante. Ein Lesebuch

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