Guillermo Martinez - Gewaltige Hölle - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Guillermo Martínez: Gewaltige Hölle

Eichborn Verlag
Übersetzung: Angelica Ammar
Hardcover
, 200 Seiten
18
,95 €
ISBN: 3-821-86115-0
 

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Zerbrechliche Realität

In dem Erzählungsband "Gewaltige Hölle" des argentinischen Autors Guillermo Martinez (Roderers Eröffnung, Die Pythagoras-Morde) genügen einige kleine Anlässe, um die Lebenswelten der Protagonisten empfindlich zu stören.

Ganz in der Tradition der großen argentinischen Erzähler gehalten, entstanden die Geschichten über einen langen Zeitraum hinweg. Erstaunlicherweise merkt man ihnen das nicht an. Es ist herauszufinden, welche der Erzählungen vor vierzehn Jahren entstand und welche erst vor wenigen Monaten. So sicher ist sich der Autor in seinem Stil. Die Spannung ist gut dosiert und der Humor streng zurückgenommen. Und so vielfältig die Themen der Erzählungen zu sein scheinen haben sie doch ein gemeinsames Thema. Sei es eine der erotischen Geschichten, ein Universitätserlebnis oder eine (die einzige) mit politischen Hintergrund. Das durchgängige Thema ist der Zusammenbruch der bisherigen individuellen Lebenswelt. Ob es nun ein Fund von Leichen der Militärdiktatur sind oder obszöne Zungen oder das Alter an sich. Manchmal genügt eine Kleinigkeit wie ein gefundener Geldschein oder ein gelesener Roman, um das Leben zu ändern.

Besonders schön und passend ist die Erzählung über die Macht der Literatur ("Das Opfer"), in der es heißt: "Denn er fühlte, dass die Literatur die einzige Welt war, in der er sein konnte, eine Welt, in der das Glück schnell vorüber ist, wo nichts Schönes zu lange dauern konnte und jede Freude sogleich verdächtig wurde."

In einer recht schnörkellosen Sprache wird, ohne in Nebenthemen abzugleiten, die Geschichte erzählt. Zumeist nutzt Martinez einen subjektiven Erzähler, da so die kollidierenden Lebenswelten besser geschildert werden können (wie etwa in "Die Nachholprüfung"). Es gibt einige wenige Ausnahmen wie etwa "Portrait eines Fischhalters", welche die einzige etwas experimentelle Geschichte ist. Erotik und ein Hauch von Übernatürlichem verbinden sich in den Erzählungen zu einer Schilderung von Verfall, der in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen vorkommt. Und obwohl manche Anlässe und Situationen absurd sind, bleiben die Erzählungen doch realistisch und lassen dem Leser die Möglichkeit, sich mit den Figuren zu identifizieren.

Spannende, absurde, erotische Geschichten, die den Verfall und den Zusammenbruch von individuellen Lebensgeschichten schildern. Keine einzige Geschichte in dem Band fällt negativ aus dem Rahmen, sondern alle ergänzen sich hervorragend und wissen, den Leser zu fesseln.

© Jons Marek Schiemann 2011


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