Javier Marias - Morgen in der Schlacht denk an mich - Rezension Lettern.de Javier Marias - Morgen in der Schlacht denk an mich

Aus dem Spanischen von Carina von Enzenberg und Hartmut Zahn 
dtv Verlag
Taschenbuch, 408 Seiten 
10,00 € 
ISBN 3-423-12637-X
Hörbuch: 3-895-84571-X

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Marias' neuester Roman beginnt mit einer trivialen Feststellung: "Niemand denkt je daran, dass er irgendwann eine Tote in den Armen halten könnte." Doch der Hauptperson des Romans, Victor, geschieht genau das. Gerade war er im Begriff, mit einer verheirateten Frau ein Schäferstündchen zu verbringen, als sie sich schlecht fühlt und in seinen Armen stirbt.

Der Anfang des Romans, der Tod der Frau und die daraus resultierende Bestürzung und Ratlosigkeit Victors sind brillant geschrieben. In der Schilderung, wie sich der Gast versucht zu beruhigen, wie das Leid der Frau immer weiter anschwillt, wie Victor versucht, Herr der Lage zu bleiben - in seinen präzisen und wirkungsvollen Sätzen gelingt Javier Marias große Kunst. Victor kann die Wohnung der Toten unerkannt verlassen, es ist jedoch klar, dass es den Angehörigen der Toten nicht entgehen kann, dass sie bei ihrem Tod nicht allein gewesen ist.

Victor gelingt es nicht, sich von dem Zwischenfall zu lösen. Er stellt Kontakt zur Familie der Toten her, beobachtet heimlich ihre Beerdigung, wird sogar Mitarbeiter ihres Vaters und offenbart sich schließlich ihrer Schwester und ihrem Mann. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, auf dem der Leser Gelegenheit hat den vielschichtigen Charakter der Hauptperson genau kennen zu lernen.

Schade nur, dass Marias die Klasse der Anfangsszenen im gesamten Buch nicht mehr erreichen kann. Doch auch hier ergeben sich immer wieder fesselnde Situationen und wir lernen viele interessante Menschen kennen, unter anderem werden wir Zeuge eines bemerkenswerten Gesprächs am spanischen Hofe.

Marias' Romane verkaufen sich ausgezeichnet, gleichzeitig wird ihm oft Schwatzhaftigkeit vorgeworfen. Marias ist in der Tat ein Schwätzer, aber das im positivsten Sinne des Wortes. Jedes Wort ist überlegt gesetzt, keine Phrase überflüssig, jede Wiederholung bereichernd. Zwar verweilt er oft an Allgemeinplätzen, doch kein Wort ist zu viel und seine Aussagen sind von selten gesehener Präzision und Ausdruckskraft. Man ist fast geneigt, es Weisheit zu nennen.

Morgen in der Schlacht denk an mich ist ein weises Buch geworden, das jedoch eine deutliche Ähnlichkeit in der Machart zu Mein Herz so weiß nicht verhehlen kann.

© Till Weingärtner 2001


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