William Kotzwinkle - Ein Bär will nach oben - Rezension Lettern.de

William Kotzwinkle - Ein Bär will nach oben

Rowohlt Verlag
Taschenbuch, 270 Seiten

7,90 € 
ISBN: 3-499-13895-6

 

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Ich möchte Euch Ein Bär will nach oben von William Kotzwinkle vorstellen. Das ist kein Pseudonym, denke ich, sondern der heißt einfach so. Und wenn man weiß, dass er ein US-Schriftsteller ist, ist doch schon alles erklärt. Kotzwinkle kennen wir eigentlich gar nicht, und dann wieder doch: Er ist nämlich der geistige Vater von Drew Barrymoore oder zumindest des Filmes, der sie berühmt machte: Unser aller E. T.! Genau, der Vorläufer von Manfred Krug (»Nach Hause telefonieren!«) aus der Zeit, als die Telekom noch Post hieß. Die Romanvorlage von E. T., die natürlich kein Schwein vor dem Film gelesen hat, entstammt seiner Feder oder Tastatur.

Ein Bär will nach oben sollte Schreibende schon aus zwei Gründen interessieren. Zum einen ist es ein satirischer, sehr witzig geschriebener Roman. Ich habe sicher manche Zeitgenossen damit erschreckt, dass ich in der U- oder S-Bahn lauthals loslachte und mir dann die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. Ich weiß zwar, dass mein Humor nicht unbedingt dem anderer entsprechen muss, aber ich denke, dass andere da vielleicht schmunzeln, wo ich vor Vergnügen quietsche.

Zum anderen dreht es sich in diesem Roman aber auch um den Prozess des Schreibens und um die (amerikanische) Literaturszene. Die Mechanismen, hier überzeichnet, mögen ähnlich funktionieren. Der Starkult ist ein Thema und das Image des Schriftstellers, konkreter: eines bestimmten Autors.

Arthur Bramhall ist Professor für amerikanische Literatur der University of Maine und hat sich ein »unterrichtsfreies Jahr« und ein Häuschen auf dem Land genommen, um endlich den einen großen Roman zu schreiben, der ihn berühmt, reich und sexy machen soll. Nebenbei möchte er auch seine eigene Depression bekämpfen. Allerdings wird ihm sein Manuskript von einem Bären gestohlen, was Arthur aber zunächst nicht weiß und noch tiefer in seine Depressionen schliddert.

Ein Bauer versucht ihm dann, die seiner Meinung nach interessanten Geschichten dieser Gegend und der dort lebenden Menschen näher zu bringen, damit der Professor auch noch ein schönes Buch über sie hier schreibt. Aber zurück zu dem Bären. Der hat sich nämlich ein paar Klamotten geschnappt und strebt danach, ein Mensch zu werden, während das Buch, das alle lieben, ohne es je gelesen zu haben, es einfach toll und Epoche machend finden - man braucht eben einen neuen Autor, der die Szene aufmischt.

Natürlich kann das alles nicht einfach so ausgehen, denn der Bär kann so menschlich werden wie er will, er wird wohl immer irgendwie Bär bleiben, und Arthur, der sich immer weiter, bis in eine Bärenhöhle, zurückzieht, wird nie ganz Bär. Oder doch? Am Ende weiß man gar nicht... Verrate ich natürlich nicht.

Der Roman ist eine Rollen- und Vexiergeschichte. Liebenswert, lustig, ein bisschen traurig auch, ein wenig erotisch natürlich - und vor allem mit aller Liebe erzählt. Da hat sich ein Autor wirklich auf seine Figuren eingelassen und seiner Phantasie die Zügel schießen lassen. Aber bei aller Übertreibung und (rational) völlig unwahrscheinlicher Fabel bleibt die Geschichte glaubwürdig und wahr.

»Enttäuscht beschnüffelte der Bär das Manuskript. Termitennahrung, dachte er und wollte davon trotten, da fiel ihm auf der ersten Seite eine Zeile ins Auge, und er las noch ein bisschen. Also wirklich, sagte er sich, das ist gar nicht schlecht. Es gab viel Sex, und auch das Fische fangen kam nicht zu kurz. Dieses Buch hat einfach alles, fand er, schob das Manuskript zurück in die Aktentasche, packte den Griff mit den Zähnen und machte sich auf den Weg in die Stadt...«, steht im Klappentext zu lesen. Beschnüffelt dieses Buch, lest die erste und alle folgenden Zeilen und verliebt euch ein bisschen in diese Geschichte.

Ich habe euch hier bewusst keinen einzigen Gag zitiert, weil sonst schon einer »weg« wäre und ich selbst solche Widererkennungseffekte nicht besonders mag. Ein guter Freund von mir bringt es fertig, mir einen Film so gut zu erzählen, dass ich ihn mir im Kino eigentlich nicht mehr ansehen muss, weil er alles, was diesen Film sehenswert machen könnte, eigentlich schon vorweg genommen hat. - Ein Grund, warum ich mir nur noch anhöre, ob er einen Film gut oder schlecht fand, nicht jedoch, wie er zu seinem Urteil gekommen ist. (Okay, bei den schlechten lasse ich ihn erzählen, das spart mir dann Zeit und Geld.)

William Kotzwinkle wurde 1943 in Scarton/Pennsylvania geboren, hat schon einige literarische Auszeichnungen erhalten und gehört in den USA schon lange zu den Bestseller-Autoren. (Wie gesagt, ich kannte ihn vor diesem Roman auch nicht, und nur das lustige Cover, das einen großen, etwas ratlosen Bären zeigt, der in Anzug und Krawatte ein bisschen staunend durch die gleichgültigen Menschen zu treiben scheint, animierte mich, es überhaupt erst einmal zu beschnuppern.) Kotzwinkle ist mit der Schriftstellerin Elizabeth Gundy verheiratet und lebt auf einer Insel vor der Küste von Maine.

Nicht vergessen werden sollte auch der Übersetzer Hans Pfitzinger. Ich weiß nichts über die Übersetzer-Szene, aber nach meinem Gefühl hat er das Buch von Kotzwinkle gut übersetzt. Zumindest kann ich mir nur vorstellen, dass das Original durch diese - erst 1997 bei Eichborn und dann, ein Jahr später im Rowohlt-Verlag erschienene - Übersetzung nicht allzu viel verloren haben dürfte.

© Andreas Hofmann 2000


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