Joseph Kanon - In den Ruinen von Berlin

K. Blessing Verlag
Hardcover, 600 Seiten 
24,90 €
ISBN 3-896-67191-X

 

Dieses Buch neu bestellen   <- gebraucht suchen


Manchmal glaubt man den Versprechungen der Verlage und den Zitaten aus vorangegangenen Rezensionen - und freut sich auf ein Buch. In den Ruinen von Berlin des Amerikaners Joseph Kanon: Ein spannender Kriminalfall soll es sein, der noch dazu die Atmosphäre des zerstörten Berlins kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs 'authentisch' einfangen soll. Die Filmrechte sind auch schon unter Dach und Fach, George Clooney soll die Hauptrolle spielen. Die Zeichen stehen also gut für 600 Seiten Spannung, genau das Richtige für kalte, lange Spätwinterabende.

Und dann passiert etwas unangenehmes. Von der ersten Seite an stört man sich an der kaugummiartig-zähen, vom Niveau kaum einen guten Schulaufsatz übertreffenden Schreibweise. Teilweise überaus linkisch wird erzählt, wie ein ehemaliger Berlin-Korrespondent erneut seine Arbeit in Berlin aufnimmt, dabei in allerlei dunkle Machenschaften hineingezogen wird und dazu noch einer alten Liebe nachspürt.

Diese alte Liebe ist gleich ein hervorragendes Beispiel für die Unerträglichkeit dieses Romans. Über wen soll man sich da mehr ärgern? Über die Hauptfigur, die erst vom Flugzeug aus in geradezu beängstigender Naivität feststellt, wie zerstört Berlin ist und wie schwer es werden könnte, die Geliebte in diesen Trümmerbergen zu finden, oder dem Autoren, dem es nicht gelingt, einer solchen frühen Schlüsselszene mehr Spannung einzuhauchen als der Speisekarte eines amerikanischen Schnellrestaurants.

Auch der eigentliche Kriminalfall entwickelt sich schleppend, immer bleibt der Autor darauf bedacht, die historischen Hintergründe einfließen zu lassen. Die erste Leiche taucht beispielsweise auf, während die berühmten Fotos auf der Potsdamer Konferenz geschossen werden.

Was Der dritte Mann für Wien war, ist Joseph Kanons neuer Roman für Berlin, lässt der Blessing Verlag verlauten.

Aber braucht denn wirklich jede Stadt ihren eigenen Agenten-Thriller? Auf derartige Stümpereien verzichten wir gerne.

© Till Weingärtner 2002


Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen
Aktuelle Rezensionen
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen
Rezensionen von A-Z
Rezensionen nach Genre

Rezensionen von lettern.de