Roberto Cotroneo: Die verlorene Partitur Roberto Cotroneo - Die verlorene Partitur

Suhrkamp Verlag
Taschenbuch, 256 Seiten 
8,50 € 
ISBN 3-518-39526-2

 

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Erzähler dieses Romans ist ein alter Pianist, der auf eine besondere Begegnung in seinem Leben zurückblickt: In den siebziger Jahren kommt sein Chopin-Bild stark ins Wanken, als ihm von einem geheimnisvollen Russen eine Original-Handschrift Chopins angeboten wird. Eine Handschrift der bekannten vierten Ballade, aber mit einem stark veränderten, bisher völlig unbekannten Ende. Diese Handschrift hat eine lange Geschichte.

Von Chopin in einer Leidenschaft zu einem Mädchen geschrieben, ging sie durch viele Hände, überstand die Wirren der Nazi-Diktatur und des Sowjet-Terrors, forderte sogar Todesopfer, um schließlich, wie der Pianist selber meint, ihre Bestimmung zu erreichen: ihm, dem vermutlich größten Interpreten Chopins Klaviermusik zum Kauf angeboten zu werden. Zunächst zweifelt er an der Echtheit dieser Handschrift, doch nachdem er intensiv in Chopins Leben eingetaucht ist, besteht für ihn kein Zweifel mehr, dass sie ein Original ist. Vielmehr, sie ist der Schlüssel zu Chopins Leidenschaften.

Beim Nachdenken über Gefühle eines Frederic Chopins bleibt es natürlich nicht aus, auch über die eigene Gefühlswelt nachzudenken. Oft lässt der Pianist seine eigene Vergangenheit Revue passieren. Schnell wird klar, dass er sich mit Chopin seelenverwandt fühlt und seine Leidenschaften verstehen kann. Er verspürt den Wunsch, Chopins Gefühle nachzuleben, stürzt sich in ähnliche Liebesbeziehungen. Er verfällt in tiefe Melancholie. Er  sucht, ohne zu wissen, was er sucht. Vielleicht ist die unveröffentlichte Handschrift Chopins das, was er sucht?

Die Welt der Musik ist in diesem Roman wie ein unbekanntes Land, das unübersichtlich vor dem Leser liegt. Cotroneo wird zum Führer durch diese mehr oder weniger unbekannte Welt. Es gelingt ihm meisterlich, dem staunenden Leser die Verknüpfungen von Musik- und Gefühlswelt mit großem Sachverstand deutlich zu machen.

Diese Reise wird zu einem besonderen Erlebnis, das nicht nur Liebhabern von Chopins Musik ans Herz zu legen ist. Auch wer meint, bereits alles über Chopin zu wissen, wird staunen, was er durch dieses ruhige Buch noch alles lernen kann. Bei seinem Roman bedient sich Cotroneo einer wunderschönen Sprache, an der es leider so vielen modernen Büchern heute mangelt.

Es fällt mir schwer, die Begeisterung, die ich für dieses Werk empfinde, in Worte zu fassen. Es ist kein Buch, das seinen Glanz laut herausbrüllt wie eine Wagner-Oper - vielmehr ist es vergleichbar mit der Perfektion eines kleinen Stückes von Chopin, das, obwohl von technischer Perfektion, nur leise Töne anschlagen möchte.

© Till Weingärtner 2000


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