Daniel Clowes: Wilson - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Daniel Clowes: Wilson

Eichborn Verlag
Hardcover
, 80 Seiten
19
,95 €
ISBN: 3-821-86128-2
 

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Lustiges Soziopathentum

Der Autor und Zeichner Daniel Clowes ist vor allem bekannt geworden durch seine Graphic Novel "Ghostworld", die 2000 von Terry Zwigoff mit Thora Birch, Steve Buscemi und Scarlett Johannson verfilmt worden ist. Mit "Wilson" legt Clowes nun ein Werk vor, das eine Mischung aus einer Graphic Novel und einem Cartoonband ist.

Wilson, schätzungsweise über 40 Jahre alt, lebt allein mit seinem Hund Pepper und sucht menschlichen Anschluss. Aber seine zu offene Art und Weise verschreckt eher alle um ihn herum. Eines Tages macht er sich auf den Weg, um seine Ex-Frau zu treffen. Von ihr erfährt er, dass sie schwanger war, als sie ihn verlassen hatte und das gemeinsame Kind zur Adoption freigab. Wilson lässt die Tochter suchen und entführt sie später zusammen mit seiner Frau, damit alle sich besser kennenlernen und wieder eine Familie werden.

Es ist durchaus überraschend, dass die Mixtur zweier Stilgenres so gut funktioniert. Jede Seite ist ein Cartoon, der für sich gelesen werden kann und alle Seiten haben auch separate Überschriften. Liest man aber das Buch von vorne bis hinten, so ergibt sich durchaus eine zusammenhängende Geschichte. Dennoch endet jede Seitenepisode mit einer Pointe. In dieser Hinsicht ist "Wilson" wirklich eine Innovation des Genres. Befremdlich ist, dass der "Held" ein Soziopath ist. Zwischenmenschliche Verhaltensnormen und Umgangsweisen scheinen ihm fremd zu sein. Er kennt sie, hebelt sie aber aus und sagt unumwunden was er denkt. Ungeachtet aller möglichen Konsequenzen. Das möchte jeder vielleicht gerne mal tun. Aber Wilson ist dadurch ein sehr einsamer Mensch geworden, den im Grunde nur noch sein heiß geliebter Hund interessiert. Dabei scheint Wilson tragischerweise die Menschen wirklich zu mögen. Doch der erhebliche Unterschied zwischen seinem Anspruch und seinem Verhalten gegenüber anderen macht den großen Witz des Bandes aus. Gleichzeitig regt er damit den Leser zum Reflektieren über menschliches Verhalten und zwischenmenschliche Umgangsnormen ein.

Das Auseinanderklaffen von Wilsons Ansprüchen und Wünschen mit seinem Verhalten offenbart einen sehr hintergründigen Humor, der einen bisweilen das Lachen im Hals stecken lässt. So etwa, wenn Wilson eine Bekannte ermutigt, sich ihm gegenüber zu öffnen, da Menschen so was nicht mehr tun. Die Bekannte erzählt ihm daraufhin alles, was sie gerade so beschäftigt und Wilsons Reaktion darauf lautet einfach: "Großer Gott, können sie nicht einfach mal die Klappe halten?" Dennoch gibt es auch einige sehr anrührende Szenen, wie zum Beispiel diejenigen, die Wilsons Vater und den Hund betreffen. Die Charakterwandlung erfolgt im Laufe der Handlung, aber zu spät. Und eine der größten Erkenntnisse des Buches ist, dass große und späte Erkenntnisse nicht mit anderen geteilt werden können.

Das merkwürdigste und störendste an dem Band sind aber die inkonsequenten Zeichnungen. Wenn alle Strips zusammen nicht eine zusammenhängende Geschichte ergeben würden, käme der Verdacht auf, dass es sich um einen Sammelband aller jemals erschienener Cartoons über die Hauptfigur handeln würde. So wirken manche Zeichnungen etwa, als ob der Zeichner noch seinen Stil finden müsste. Manchmal sind die Zeichnungen sehr unausgegoren und perspektivisch verzerrt (zum Beispiel mit übergroßen Nasen und gedrungener Figur), dann wieder relativ realistisch gehalten. Auch die Hintergründe sind mal detailliert ausgearbeitet, mal sehr reduziert und manchmal gar komplett weggelassen. Das wirkt auf Dauer doch recht störend.

Der "Held" Wilson führt die Menschen vor, hält sich für besser und wird dadurch noch schlechter im Charakter. Ein tiefgründiger Witz, der einem manchmal darüber nachdenken lässt, warum man gerade gelacht hat. Der inkonsequente Stil ist aber auf Dauer störend.

© Jons Marek Schiemann 2010


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