Lars Saabye Christensen - Yesterday - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Lars Saabye Christensen: Yesterday

btb Verlag
Übersetzung: Christel Hildebrandt
Taschenbuch
, 576 Seiten
12
,00 €
ISBN: 3-442-72239-X

 

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"Yesterday" beginnt im Frühling 1965 mit dem Kapitel "I feel fine" und endet im Sommer/Winter 1972 mit "Love me do".

Schon jetzt ahnt jeder Beatles-Fan, dass die britische Kultband in diesem Roman eine Rolle spielt. Dass es eine extrem wichtige Rolle ist, begreift der Leser, der noch nicht durch Titel und Klappentext hellhörig geworden ist, spätestens nach 100 Seiten.

Im Mittelpunkt des Romans stehen vier norwegische Jugendliche. Sie wurden zu Beginn der 50er-Jahre geboren, leben in Oslo und sind – als der Autor beginnt, ihre Lebensgeschichte zu erzählen – 14 Jahre alt. Sieben Jahre lang bleibt man auf der Spur von Seb, Gunnar, Ola und Kim. Bei den vieren handelt es sich um charakterlich sehr unterschiedliche Jungen, die jedoch einiges gemeinsam haben: Sie befinden sich in den Wirren der Pubertät, sie interessieren sich für Mädchen, haben Probleme mit spießigen Eltern und strengen Lehrern, lieben Fußball und vor allem eint sie die Neigung, jede neue erschienene Schallplatte der Beatles so oft wie möglich abzuspielen und genauestens zu analysieren.

Es gibt witzige, sorgfältig recherchierte Einfälle, wie die aufkommende Irritation, als ein Jugendlicher behauptet, Paul McCartney sei 1965 bei einem Autounfall ums Leben gekommen und durch einen Doppelgänger ersetzt worden. Amüsiert folgt der Leser den Begründungen: Eindeutig erkennbar sei das daran, dass Paul auf dem Cover von Abbey Road die Zigarette in der rechten Hand halte, obwohl er – wie alle wüssten – Linkshänder wäre. Überdies sei er barfuß, was ein "altes Zeichen" der Wikinger für den Tod sei.

"Und nun guck dir die Kleidung an. John ist weiß gekleidet, wie ein Priester. Ringo trägt schwarz, Trauerkleidung. Und George läuft in Arbeitskleidung herum, er ist der Totengräber." Überdies: Auf dem Nummernschild des Käfers stehe 28 – "Paul wäre 28, wenn er noch lebte." Es geht noch weiter. Beim Album Sergeant Pepper befindet sich auf Pauls Schulter das Zeichen OPD. Und: "Das könne nichts anderes bedeuten als "Officially Pronounced Dead".

Neben den Fab Four sind auch die politischen Ereignisse der Zeit relevant: der Vietnamkrieg, der Prager Frühling und die Maiunruhen in Paris. Sie betreffen das Leben der vier Jungs nur indirekt; ungleich wichtiger sind ihre persönlichen Belange wie der Kampf um die langen Haare, das Ringen nach Selbstständigkeit und der eigenen Identität sowie das Suchen und Finden des eigenen Lebensweges.

Der 1953 ebenfalls in Oslo geborene Autor Lars Saabye Christensen hat ein – vielleicht manchmal etwas zu langatmig geratenes – Zeitdokument geschaffen, das die inneren und äußeren Befindlichkeiten der 68er-Generation auf 600 Seiten sehr genau unter die Lupe nimmt. Jeder Leser, der zur selben Altersgruppe gehört, wird an vielen Stellen sein eigenes Lebensgefühl in der Zeit der Adoleszenz wiederfinden können. Das zeichnet diesen Roman aus, der vor allem Männern ans Herz gelegt wird.

© Heide John 2010


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