Michael Birbaek - Beziehungsweise Michael Birbaek - Beziehungswaise

Lübbe Verlag
Hardcover, 496 Seiten
16
,95 €
ISBN: 3-785-72283-4

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„Wenn das Glück im Detail liegt, müsste ich glücklich sein“, denkt Lasse, ein in Köln lebender Comedian, und eigentlich ist er das auch: Wären da nicht seine stagnierende Karriere und seine ihm gänzlich abhanden gekommene Leidenschaft. Der gebürtige Däne liebt seine Freundin Tess, mit der er seit sieben Jahren liiert ist; er liebt sie sogar sehr. Nur mit dem Sex klappt es nicht mehr. Lasse will. Aber Lasse kann nicht.

Als Tess eine Stelle in China angeboten bekommt und Lasse bei einem manipulierten Comedy-Casting die Chance erhält, seine vor sich hin dümpelnde Karriere anzuschieben, stehen längst überfällige Entscheidungen an: Soll und kann aus der Wochenendbeziehung eine Ferienbeziehung werden? Schafft Lasse es, ein Programm zusammenzustellen, dass Zuschauer und Jury überzeugt?

Nach Art mancher Männer ist Birbaeks Protagonist wenig entschlussfreudig, er sitzt sein Leben aus, befindet sich in einer Lauerposition – und eigentlich möchte er gar nicht, dass sich etwas ändert. Zwar vermisst er Sex und Leidenschaft, aber das Gefühl der tiefen Liebe zu seiner Freundin ist ihm wichtiger. Tess ist ein Stück von ihm auf das er keinesfalls verzichten möchte. Michel Birbaek gelingt die Beschreibung einer großen Liebe aus Männersicht perfekt, auch wenn dieser Mann viele weibliche Eigenschaften zu besitzen scheint. Weniger glaubwürdig ist, dass ein männliches Wesen so viele Jahre auf Lust und Leidenschaft verzichten mag.

Die schönsten Passagen im Roman sind die, an denen Lasses schwerkranker Vater ins Spiel kommt. Der lebensweise, stets humorvolle Far ist gewiss die stärkste Figur im Buch. In ihr steckt die Liebe des Autors, er wirkt authentisch und über alle Maßen liebenswert. Überzogen hingegen sind Lasses Mitbewohner. Würde ein Mensch wie Lasse mit dem schweigsamen Ökoterroristen Arne wirklich unter einem WG-Dach leben? Noch fragwürdiger ist die Frauke, die Dritte im Bunde, eine ständig kiffende Rechtsanwältin. Sie wirken wie Füllsel, die vom Wesentlichen ablenken und dem Roman ein paar Seiten mehr bescherten. Eigentlich schade, dass diese nicht Lasses Vater Far gewidmet wurden. Andererseits ergibt sich durch sie natürlich ein (humorvoller) Ausgleich zu Krankheit, Tod und Verlust.

Lasse selbst bietet wenig Identifikationspotential für die männlichen Leser, wohingegen die weiblichen sich einen mit solcher Intensität liebenden Mann vermutlich von ganzem Herzen herbeisehnen. Der nicht-stattfindende Sex ist ein mutiges und in gewisser Weise auch neu angefasstes Thema; wirklich nachvollziehbar ist dieser Ansatz nicht, denn das Versiegen der Leidenschaft scheint aufhebbar, zu bewältigen wie ein Infekt – und ein derart (liebes-)engagierter Mensch wie der „lustige Däne“ sollte ein derartiges Problem eigentlich in den Griff bekommen. Aber vielleicht geht es ja doch vor allem um die unterbewusst wirkenden Bedürfnisse: Eigentlich will Lasse sich von Tess trennen, im Grunde will er seinem Leben eine neue Wendung geben ...

Zu bemerken ist jedenfalls, dass der Autor auch in seinem dritten Roman unter Beweis stellt, dass er sein Handwerk versteht. Seine Personenbeschreibungen sind ausgereift, und der Roman transportiert Stimmung und Atmosphäre. Auch Birbaeks leiser Humor vermag zu überzeugen. Dennoch hat der Roman nicht die Kraft seines Vorgängers Wenn das Leben ein Strand ist, sind die Frauen das Mehr.

Trotz der kleinen Kritik bleibt es ein Buch, dem man viele Leser wünscht. Denn es ist besser, interessanter und vor allem auch unterhaltsamer als viele andere Romane dieses Genres. Ein dickes Lob gibt es überdies für den Schluss: Wenn die Liebe schon enden muss, dann sollte sie SO enden!

© Heide John 2007


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