Inio Asano: Sun Village - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Inio Asano: Sun Village

Schreiber & Leser Verlag
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roschiert, 208 Seiten
14
,95 €
ISBN: 3-941-23931-7

 

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Leben im Mikrokosmos

In seiner ersten zusammenhängenden Graphic Novel "Sun Village" erzählt der japanische Autor und Zeichner Inio Asano von dem Leben in einer Wohnanlage.

"Sun Village" ist eine Wohnanlage in einem Vorortbezirk einer größeren japanischen Stadt. In diesen Wohnhäusern leben die unterschiedlichsten Menschen mit ihren Schicksalen und ihren Eigenarten. Da wäre zum einen der ständig unter Termindruck stehende Mangazeichner mit seiner heiratswilligen Freundin, die seine Trinkeskapaden ablehnt. Der junge Tasuku hingegen schwänzt seine Schule und betätigt sich als Sterbehelfer für Selbstmörder. Heimlich liebt er die junge Haruko, die unter einem Trauma leidet, nachdem sie von einem Stalker angegriffen worden war. Langsam kommen sich die beiden näher. Aber nicht nur die Polizei ist hinter Tasuku her, sondern auch der Stalker kommt wieder. Die beiden Schülerinnen Azuma und Nishiyama hingegen bemühen sich, eine Freundschaft miteinander aufzubauen. In einem weiteren Erzählungsstrang wird das Leben des Stalkers Hoichi, seines Mitbewohners und der kleinen Tochter erzählt. Hoichi hat die Nase voll, immer mit kleinen Gaunereien sein Geld zu verdienen und plant den großen Coup. Doch dieser geht ziemlich daneben. Taiki hingegen ist ein kleiner Junge mit der Seele eines Erwachsenen, der an der Welt verzweifelt (und alle anderen zur Verzweiflung damit bringt) und nach einem Sinn sucht. Alle werden dabei von einer streunenden Katze beobachtet.

Es ist ein beliebtes Stilmittel verschiedene Lebensentwürfe auf kleinem Raum zu verdichten und so die unterschiedlichsten Geschichten und Schicksale zu erzählen. Hier ist es also eine Wohnanlage. Und damit eine sehr gute Idee. Wer nämlich allein schon in einem Mehrparteienhaus lebt, weiß oftmals wenig von seinen Nachbarn. Und so verdichtet sich hier das Leben auf einem kleinen Raum. Und man will einfach mehr erfahren. Der größte Nachteil des Mangas "Sun Village" ist der, dass er viel zu schnell zu Ende ist. Die metaphysischen Einschübe allerdings sind nicht nur ein inhaltlicher und stilistischer Bruch, sondern auch gegen Ende überflüssig. Nach dem hervorragenden Einstieg mit einem fliegenden Bus, der ein kommendes Märchen suggeriert, sind die eigentlichen Erzählungen dafür viel zu realistisch gehalten, so dass der metaphysische Abschluss zwar zum Nachdenken anregt, aber eher stört. Das verbindende Element der beobachtenden Katze ist sehr schön, hätte aber weiter ausgebaut werden können.

Was aber das Buch im Innersten zusammenhält, ist seine gute Struktur. Denn alle Schicksale haben unabhängig vom Wohnort Anknüpfungen untereinander. Sie verweben sich miteinander und wissen den Leser so sehr zur Anteilnahme zu bewegen, dass er meint, gute Freunde beim Leben zu beobachten. Ein exzentrisches und trauriges Leben voller Tragik, aber auch Gefühl. Besonders der Erzählstrang mit der Beziehung zwischen Tasuku und Haruko ist sehr sensibel geschildert und tragisch. Die Freundschaftsbemühungen der beiden Schülerinnen Azuma und Nishiyama hätten detaillierter ausgearbeitet werden können. Hier hätte man gern mehr von den Figuren erfahren. Bei dem Kriminellen Hoichi stört eigentlich nur die grafische Anlehnung an den Schurken "Joker" aus den Batman-Comics. Vom zeichnerischen her, enthält sich Asano glücklicherweise jeglicher Manga typischen Übertreibung und macht so den Band auch für diejenigen lesenswert, die ansonsten vom Stil der Mangas abgeschreckt werden. Ungewöhnliche Perspektiven und surreale Elemente entwickeln einen ganz eigenen Reiz.

In der seelenlosen Umgebung von Wohnkomplexen ist alles voneinander isoliert, aber dennoch sind Begegnungen von ungeheurer Intensität möglich. Viele Blicke im Buch richten sich nach oben, dem offenen Himmel entgegen, um der tristen Umgebung zu entfliehen. Dabei bräuchten sie nur den anderen in die Augen zu sehen.

Ein schönes Buch über das Leben, Schicksal, Liebe und Tod. Verdichtet es das Leben, so stören und irritieren gegen Ende die metaphysischen Einschübe. Dennoch sehr empfehlenswert.

© Jons Marek Schiemann 2010


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