Johann Wolfgang von Goethe - Wilhelm Meister


Goethe behandelt in seinem Meisterwerk den Werdegang des jungen Kaufmannssohnes Wilhelm. Das Werk umfasst acht Bücher. Der Dichter benötigte Jahre, um dieses Werk zu schaffen.

In seinen Roman kommen Personen vor, die Goethe während seines eigenen Werdeganges begegnet sind. Diese Personen haben den jungen Goethe für sein weiteres Leben nachhaltig geprägt. Goethe ist ein bedeutender Dichter, der die Literatur über seinen Tod hinaus entscheidend beeinflusst hat.

Wilhelm Meisters Lehrjahre ist eine Bildungsgeschichte des 18. Jahrhundert.

Etwa zehn Jahre aus dem Leben eines jungen Mannes schildert Goethe in seinem 1795 veröffentlichten Roman "Wilhelm Meister".

Wilhelm, ein junger, musisch überaus empfänglicher Mann, drängt aus bürgerlicher Enge zum Theater, wo er seine Talente auszubilden hofft. Der junge Wilhelm Meister hat eine bestimmte Vorstellung vom Theater, die mit der Wirklichkeit des Theaterlebens nichts zu tun hat. So entsteht ein Konflikt zwischen Wilhelms individueller Vorstellung von der Welt des Theaters und der objektiven Wirklichkeit.

Wilhelm hält das Theater für die Wirklichkeit des Lebens. Er verwechselt Schein und Wirklichkeit, Kunst und Leben. Die Verwechslung dieser beiden Bereiche in all ihren Brechungen macht die Welt des Theaters im "Wilhelm Meister" so ergiebig als Erzählung. In dem Augenblick, da Wilhelm die Verwechslung durchschaut, verliert das Schauspiel seine Bedeutung, und der ursprüngliche Theaterroman wird endgültig zum Bildungsroman. Aber vorerst muss Wilhelm das Theater, die Liebe und das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen durchwandern.

Die Schauspielerin Marianne wird die erste Geliebte des jungen Mannes. Sie ist für Wilhelm Theater und Liebe zugleich. Diese Liebe aber scheitert daran, dass Wilhelm Marianne Untreue unterstellt. Die unglückliche Liebe stürzt Wilhelm in eine schwere seelische und körperliche Krise. Er verlässt sein Elternhaus und schließt sich einer Theatergruppe an, die er auch später finanziert. Hier begegnet er Philine. Die junge, autonome, oft als schamlos empfundene Schauspielerin verwirrt Wilhelm erotisch. Sie ist ihm aber auch Freundin und Retterin. Philine ist selbstständig, und es haften ihr keine gesellschaftlichen Klischees an. "Und wenn ich dich lieb hab, was geht es dich an....". Nie hat eine Frau in einem deutschen Roman dieser Epoche so gesprochen.

Einer Zigeunergruppe kauft Wilhelm das kindliche, geheimnisvolle und fremdartige Mädchen Mignon ab. Mignon ist ein naives Geschöpf, das sich nur in einer Körpersprache und in Liedern äußert. Ihre Lieder bezeugen ihre naive Existenz, ihre Sehnsucht nach Italien und der Liebe.

MIGNON

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunklen Laub die Goldorangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, Kennst du es wohl? - Dahin! Dahin Möchte ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Marmorbilder stehn und sehn mich an: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Kennst du es wohl? - Dahin! Dahin Möchte ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn. Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg; In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut; Es stürzt der Fels und über ihn die Flut, Kennst du es wohl? - Dahin! Dahin Geht unser Weg! O Vater, laß uns ziehn.

Hier beschreibt Goethe mit seiner Mignon Gefühle der Liebe, Sehnsucht und der Trauer. Goethe selbst war lebenslang ein unglücklicher Mensch, der nie seine wahre Liebe gefunden hat. Nur Menschen, die dies erlebt haben, können solche Gefühle auch beschreiben - Gefühle der Inbrunst, der Trauer, der Unendlichkeit und des immer wiederkehrenden Abschiedes und der nie enden wollenden Enttäuschung.

Mit dem Land "wo die Zitronen blühen" ist natürlich Italien gemeint. Mignon, das kleine Zigeunermädchen, liebt den Mann, der ihr Vater und ihr Freund, aber in ihrer Phantasie auch ihr Geliebter ist. Am Ende zerbricht sie an der Liebe zu diesem Mann.

Auch der geheimnisvolle Hafner wird von Wilhelm und seiner Theatergruppe aufgenommen. Wilhelm ist von der Musik des alten Mannes fasziniert.

"Die wehmütige, herzliche Klage drang tief in die Seele des Hörers." Wer nie sein Brot mit Tränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Fortan begleiten Mignon und der Hafner Wilhelm auf seinen theatralischen Weg. Diese beiden außergewöhnlichen Menschen bringen einen romantischen und märchenhaften Zug in die Geschichte.

Die Theatergruppe spielt an verschiedenen Orten einige Stücke und gerät in viele Abenteuer. Bei einem dieser Abenteuer lernt Wilhelm die Amazone Nathalie kennen. Mit ihr öffnet sich für Wilhelm eine neue Welt. Nathalie ist ein Mensch von vollkommener und natürlicher, sittlicher Kraft. Aber so unverhofft Nathalie in Wilhelms Leben tritt, so schnell verschwindet sie auch wieder.

Die Begegnung mit Aurelie, der Schwester des Theaterleiters Serlos, rundet Wilhelms Frauenbild ab. Die junge intelligente, aber hoch traumatisierte Frau kommt mit sich, ihrer unglücklichen Liebe und dem Leben nicht klar. Wilhelm versucht, ihr zu helfen. Was ihm aber nicht gelingt.

Vom Theater und den Menschen darin, die seine Erwartungen enttäuscht haben, sagt Wilhelm sich am Ende los. Ihm ist die Erkenntnis gekommen, dass auch das Theaterleben nicht seinem Kunstverständnis und seinem Lebensdrang entspricht.

In der Aristokratin Nathalie, die zum Kreis der "Turmgesellschaft" gehört, findet er die passende Lebensgefährtin. Seinem und Mariannes Sohn Felix will er ein durch das Leben geläuteter Erzieher sein. Damit lässt er die Zeit der Selbstfindung hinter sich.

Mignon und der Hafner sterben am Ende der Geschichte. Mignon kann nicht in der aufgeklärten Welt der "Turmgesellschaft" leben, und der Hafner nimmt sich das Leben, nachdem er erfährt, dass Mignon seine Tochter aus einer Inzestbeziehung ist.

Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß wie ich leide! Allein und abgetrennt Von aller Freude, Seh ich ans Firmament Nach jener Seite. Ach! Der mich liebt und kennt, Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt Mein Eingeweide. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß wie ich leide!

In dieses schlichte Handlungsmuster webt Goethe eine Vielzahl komplexer Zusammenhänge, die der sozial- und kulturgeschichtlichen Situation seiner Zeit Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund wirft er Fragen der Kunst, der Ökonomie, der Ständegesellschaft, der Pädagogik und Medizin, des Geschlechterverhältnisses, der Religion und der Politik auf und verdichtet sie im Thema der Selbstwerdung, der "Bildung" des Individuums.

Wilhelms Bildung vollzieht sich im Konfliktfeld zwischen Mann und Frau. Er muss erst  Frauen wie Marianne, Philine, Mignon und Aurelie überwinden, um zu Nathalie zu finden. Zudem muss er auch erst als Erzieher von Mignon versagen, um seinem eigenen Sohn Felix ein guter Erzieher sein zu können.

© Kathie Meier 1999


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