Gao Xingjian - ein Chinese in Paris

Der in Paris lebende chinesische Künstler und Schriftsteller Gao Xingjan erhielt den Nobelpreis für Literatur 2000.  
Wichtigste Werke:  
Romane: 
Der Berg der Seele
Das Buch eines einsamen Menschen
Dramen: 
Die Busstation
Yeren, Die Wilden
Nächtliche Wanderung
Ja oder/und Nein
An der grenze Zwischen Leben und Tod (in: Hefte für Ostasiatische Literatur 13)


Es war mal wieder eine von diesen Entscheidungen der schwedischen Akademie, die bei allen Seiten auf Verständnislosigkeit stößt. Nicht zuletzt der Autor selbst war verblüfft. Er habe nicht einmal gewusst, dass er auf der Favoritenliste stünde. Namhafte chinesische Autoren schimpften, man hätte lieber einen in China lebenden Chinesen auszeichnen sollen, Gao spiele für die chinesische Literaturszene keine Rolle und sei in seiner Heimat absolut unbekannt.

Wie verblüffend es den deutschen Verleger Gaos traf, spiegelte die Aussage, man könne eventuell noch ein paar seiner vergriffenen Werke nachdrucken, wenn man noch einige Exemplare finden sollte. Wahre Begeisterung vernimmt man eigentlich nur vom französischen Verleger Gaos, der verlauten ließ, dass Gao ein wunderbarer Mensch sei und den Nobelpreis verdiene.

Gao Xiangjan, Jahrgang 1940, stammt aus der Provinz Ganzhou im Osten Chinas, ist inzwischen allerdings französischer Staatsbürger. Er ist Erzähler, Übersetzer, Dramatiker, Regisseur, Kritiker und Künstler. In frühester Kindheit wurde sein Interesse für das Theater von seiner Mutter geweckt. Gao legte zunächst seine Examen als Fremdsprachler für Französisch in Peking ab. Seine frühen schriftstellerischen Versuche musste er selber während der Kulturevolution verbrennen, als er zur Umschulung in ein Lager geschickt wurde, wo er aber heimlich weiter schrieb. 1975 konnte er nach Peking zurückkehren, er konnte sogar einige seiner Werke veröffentlichen.

Seine Werke gerieten immer wieder in Konflikt mit der Obrigkeit, immer mehr seiner Theaterstücke wurden verboten, bis es 1986 schließlich ein völliges Aufführungsverbot seiner Werke gab. Ein Jahr später verließ er China und ging als politischer Flüchtling nach Paris.

Zum endgültigen Bruch mit China kam es, als Gao das Stück Die Flucht veröffentlichte, das vor dem Hintergrund des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens spielt, als 1989 ein friedlicher Studentenaufstand blutig vom chinesischen Militär niedergeschlagen wurde, und das im übrigen nicht nur die Machtführung sondern auch die Demokratiebewegung in China erboste.

Als Reaktion auf dieses Stück wurden alle Werke Gaos in China verboten, eine Rückkehr in seine Heimat China ist unter den derzeitigen politischen Bedingungen nicht möglich.

Neben Theaterstücken veröffentlichte Gao auch eine Reihe interessanter Prosa: Sein Hauptwerk ist der Roman Der Berg der Seele. Er handelt von einer Art Pilgerreise des Autoren durch China, hin- und hergerissen durch sein Zerwürfnis mit der Obrigkeit.

Gaos Werke sind beeinflusst von Ionesco oder Samuel Beckett. Die Übersetzungen ins Deutsche sind rar; es bleibt zu hoffen, dass sich das schnell ändert, damit jeder selber entscheiden kann, ob Gao Xingjian nur große Sympathie als Mensch verdient, wie es alle sagen, die ihn kennen, oder eben doch den Nobelpreis für Literatur.

© Till Weingärtner


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